Eine Reportage über den GuGeLaden
Loreen Möllenbeck berichtet über ihre Eindrücke, die sie bei der Begleitung einer Ehrenamtlerin des GuGeLadens sammeln konnte.
Reportage
Unterwegs mit einer Ehrenamtlerin, die mit Second-Hand-Mode Menschen hilft.
Hilfe im großen „Style“
Der Duft nach frisch gekochten Kaffee mischt sich mit dem muffigen Geruch der Klamotten, die riechen, als hätten sie seit längerer Zeit im Keller gelegen. Das aufgeregte Quietschen der Kinder, die am Boden mit einer Puppe spielen, vermischt sich mit den zügigen Schritten der Menschen, die umherlaufen. Sie sind auf der Jagd. Auf der Jagd nach einer Hose oder einem wärmenden Pullover. Vor der Tür stapeln sich die blauen Säcke und Kisten, die darauf warten, nach unentdeckten Schätzen durchwühlt zu werden.
Seit 2015 ist die 56-jährige Anja Dopp nun schon bei der Organisation ,,Mehrhoog Hilft“. Die Organisation strukturierte ganz nach dem Motto ,,Wir schaffen das“, das kleine Dorf Mehrhoog, ein Ortsteil der Stadt Hamminkeln, komplett um. Ziel war es, Geflüchtete wie zum Beispiel aus Syrien willkommen zu heißen. Viele von ihnen lebten Monate lang in provisorisch errichteten Flüchtlingsheimen, die früher als Sporthallen funktionierten. Ein Leben mit dem Minimum, mit fremden Menschen auf engstem Raum. Monat für Monat. Jedoch in Sicherheit.
Von der Begegnungsstätte, wo die Bürger von Mehrhoog als auch Geflüchtete unter anderem gemeinsam essen, bis hin zum Fahrradkeller, wo Geflüchtete gespendete Fahrräder ausleihen können, hat sich die Organisation breit aufgestellt. Und dann gibt es noch den ,,GuGeLaden“, der zu Anfang eher eine Kleiderkammer war.
Damals wurde gespendete Kleidung an die Flüchtlinge verteilt, die in einem kleinen Schlauchboot nach Deutschland kamen. Heute ist der GuGeLaden für jeden zugänglich. ,,GuGeLaden“? Ein Laden für Gutes und Gebrauchtes. Doch nicht der Trend nach Second Hand war für das positive Feedback verantwortlich, dass sich wie ein Kaugummi durch das kleine Örtchen zog. Es war der Einsatz der ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen, die Initiative dort zu helfen, wo Not ist.
Kaffeeklatsch
Bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Rhabarberkuchen sprechen die Mitarbeiterinnen über Outfits, die bei der anstehenden Modenschau gezeigt werden sollen. Sie wollen die besten Stücke präsentiert, die der GuGeLaden zu bieten hat. Zweimal im Jahr wird eine Modenschau veranstaltet, bei der die Mitarbeiterinnen auch als Models auftreten. Die ersten Posen werden bereits in kleiner Runde geprobt, um die weiße Hose mit silbernen Glitzerschnörkeln besonders gut in Szene zu setzen.
Anja Dopp nippt gemütlich an ihrem Kaffee und springt dann auf, um ihren Kolleginnen zu zeigen, was sie präsentieren wird. Sie hebt ein langes, rot-weißes Kleid aus der Kleiderstange. Das Kleid ist mit glitzernden Blumen bestickt und auch der Schlitz an der Seite des Rockes offenbart eine Stickerei mit Vögeln. ,,Ist man unter dem Schlitz nackig?“, fragt eine Mitarbeiterin. Ein Lachen geht durch die Runde.
Schatzsuche
Zeit für die Spendenannahme:
Eine lang eingeübte Routine beginnt sich wie in Dauerschleife abzuspielen: Es werden einige Kisten und Säcke von Bürger:innen hereingebracht, dessen Inhalt auf dem Wühltisch ausgebreitet wird. Die Mitarbeiterinnen müssen schnell entscheiden: Was ist im guten Zustand? Was ist Schrott?
Anja hebt ein Paar braune Schuhe aus dem Kleiderhaufen und dreht sie um: ,,Die sind abgelatscht, die kommen weg“. Unter den Spenden findet man, neben den gut erhaltenen Kleidungsstücken und Gegenständen, auch ab und zu komplett neue Ware oder Markenartikel, wie zum Beispiel eine Jacke von Burberry.
Beim Durchwühlen der Säcke kommen den Mitarbeiterinnen jedoch auch oft unverhoffte Dinge entgegen. Warum die Frauen nicht ohne Handschuhe an die Sachen gehen, wird schnell klar. ,,Einmal haben wir eine Unterhose aus dem Sack gezogen, die war von Adidas, nämlich mit Streifen ‘‘, sagt Jutta Badey. Sie lacht, verzieht jedoch ihr Gesicht: ,,Leider wird viel Mist gebracht der eigentlich in den Altkleidercontainer gehört. Viele meinen, wir würden ihren Müll annehmen.‘‘ Trotz dieser Erfahrungen würde die 72-Jährige die Arbeit hier nicht missen wollen. Das Rentnerleben sei ihr zu langweilig und sie werde von dem Gedanken angetrieben, Flüchtlingen helfen zu können.
Hilfe, die wirklich ankommt
Die Mitarbeiterinnen, die zum Großteil bereits in Rente sind, sehen direkt vor sich, wie sie den Menschen helfen. Ein älterer Herr tritt in den Laden, begleitet von einer Mutter mit ihren Söhnen. Mit nichts kamen sie her: Mit der Kleidung, die sie an sich trugen, und dem Käfig mit der Katze unter dem Arm.
Der Mann, der in Mehrhoog wohnt, spricht ,,Brauchst du Shampoo?“ in sein Handy. Der Google-Übersetzer spuckt die Worte in einem zusammengewürfelten Ukrainisch aus. Die Frau wiederholt ,,Shampoo?“ und nickt. Flüchtlinge, die gerade erst in Mehrhoog angekommen sind, dürfen sich umsonst ausstatten und bekommen notwendige Hygieneartikel wie Zahnpasta und Shampoo bereitgestellt.
Bereits 30.000 Euro konnten im vergangenen Jahr an verschiedene Vereine und Organisationen gespendet werden.
Gut besucht wird der Laden vor allem von Rentner:innen oder Alleinstehenden, die einfach mal schauen wollen. Für die meisten von ihnen ist der Wandel spannend, der seit einigen Jahren in ihrer Heimat passiert. Ein Opa mit Rollator kriegt von seiner Frau eine Cap aufgesetzt. ,,Was hast du denn für n‘ Dickkopf?“, sagt die alte Dame zu ihrem Mann. ,,Ich hab‘ zu viel gerechnet“, erwidert er.
Ein lautes Weinen hallt durch die Räume des GuGeLadens. Ein kleiner syrischer Junge, dessen Vater nach Kinderkleidung sucht, macht sich bemerkbar. Rasch wird ihm ein Spielzeughubschrauber in die Hand gedrückt. Sofort ist jede Trauer vergessen. ,,Brrrrmm brrrrmm“, summt der Junge, während er den Hubschrauber durch die Luft gleiten lässt.
Eine Frau mit Hijab, eine islamische Kopfbedeckung für Frauen, schaut gerade nach Kinderschuhen und nickt freundlich.
Willkommenskultur statt Ablehnung
Auf der Website von ,,Mehrhoog Hilft“ steht das Zitat von Mahatma Gandhi: ,,Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun.“. Alle Mitarbeitenden haben dasselbe Ziel: Die verschiedensten Bürger:innen unterstützen und das harmonische Miteinander, egal aus welchem Herkunftsland, fördern. Egal welche Nationalität, Haut- oder Haarfarbe, hier leben alle Seite an Seite. In dem kleinen Dorf wurde etwas geschaffen, wovon viele Städte und die deutsche Flüchtlingspolitik noch weit entfernt sind.
Kontaktperson:
Anja Dopp
0157 83222770
GuGeLaden:
Bahnhofstraße 23
Mehrhoog